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ei8ht days a week – Streifzüge durch den Wandel

mit Boris Kochan und Freunden am 18. Juni 2021

 
 

Sehr geehrte Damen und Herren,

wenn auf der Speisekarte (auch nach all diesen vielen gastronomiefreien Monaten) Fusion oder gar international steht, nehme ich reißaus. Ähnlich ist es mit dem Begriff Hybrid, über den Georg Diez im SZ-Magazin schon vor Längerem launig schrieb: »Es gibt Worte mit toxischer Wirkung, was man daran sieht, dass sich die Wahrnehmung der Wirklichkeit verschiebt und die Dinge ihren Zusammenhalt verlieren, sobald man eines dieser Worte auf die Welt anwendet. Hybrid ist so ein Wort, und schon dieses tückische y, das viel zu eng zwischen das majestätische H und das behäbige b geklemmt ist, hätte einen misstrauisch machen können.« Die Wirklichkeit beginnt sich ins Vermischte aufzulösen – besonders befördert wurde das während Obama in den USA, als der Halb-Amerikaner zum neuen sozialen Ideal wurde, »halb-indisch, halb-schwarz, halb-halb.« Anders gesagt: »Multikulturalismus ist hybrid, Migration ist hybrid, die multipolare, die post-amerikanische Welt, wie Fareed Zakaria das nennt, der indischstämmige Chefredakteur der Newsweek International, unsere ganze Zukunft ist hybrid – das Lineare hat seinen Lauf verloren, das Alltägliche vereint sich mit dem Welthistorischen.«

Dabei ist – andererseits – weniges spannender als die Gleichzeitigkeit von Eindeutigkeit und Dazwischen. So etwas wie die Zusammenarbeit von Musik und Wissenschaft zum Beispiel: Wenn die Schwingungen der Coronavirus-Moleküle mit einer neu entwickelten Signifikationsmethode hörbar gemacht und skalen- und artübergreifend Materie zu Klang und Klang zu Materie werden. Wie bitte? Einfach mal anhören …

Ich wünsche Ihnen ein fusionsfreies Wochenende mit multisensorischen Geschmachserlebnissen!
Boris Kochan


 
 

»I like to play God« … und der umstrittene kubanische Künstler Enrique Gomez de Molina freut sich an seinen eigenen Worten. Was darf Kunst, wie weit darf sie gehen? De Molina ist für den Handel mit gefährdeten und geschützten Wildtieren zu 20 Monaten Haft verurteilt worden – er hatte ohne Genehmigung oder Deklaration unter anderem die Häute eines Java-Eisvogels, eines Habichtsadlers, einer Königskobra, eines Pangolins, eines Nashornvogels, eines Paradiesvogels, die Schädel von Babirusa und Orang-Utans sowie die Kadaverreste eines Langsamloris und eines Mäusehirsches in die USA eingeführt.


Mitten im Dazwischen und Zusammen ...
 

In warmen Julinächten ist ein schimmerndes Band am Himmel zu beobachten: die Milchstraße. Mit ihr – Hybrid aus Milch & Straße – leuchtet alles, was aus Verschiedenartigem zusammengesetzt ist oder mindestens zwei Standpunkte, Methoden, Techniken oder Kulturen zum Zusammenwirken bringt: Hybrid heißt der neue Hype. Mit dem Sinken der Inzidenzwerte treffen wir uns in hybriden Meetings (digital & analog). Durch Hybridzüchtung (vormals Kreuzung) entstehen Schiegen (Schaf & Ziege), Camas (Kamel & Lama) oder Liger (Löwe & Tiger), die zwar gesundheitlich nicht sonderlich robust sind, aber immerhin eigen aussehen. Der Hybridknödel kann auf eine lange Tradition als Knödel halb & halb (rohe & gekochte Kartoffeln) verweisen. Im Radler spielen Bier und Limo ganz wunderbar zusammen. Wie auch beim Hybridantrieb, der – je nach Fahrsituation – zwischen Benzin- und Elektromotor wechselt. Aus dem Design Thinking entwickelt sich ein Pflänzchen namens Hybrid Thinking: Im Team begegnen sich hier nicht nur unterschiedliche Disziplinen, sondern Menschen, die zum hybriden Denken befähigt sind, die also in der Lage sind, verschiedene Denkansätze zu verfolgen. Genau davon erzählen übrigens auch multidisziplinäre Teams strahlend.

 Interessanter scheint mir der Austausch zwischen konträren Denkweisen, etwa der Wissenschaft, der Technologie, der Musik oder der bildenden Kunst. Die Kunst wird selbst zum Forschungsgebiet. Hybrid Art wagt Untersuchungen, die für die klassische Wissenschaft und Technik kaum verwertbar sind – zu abgedreht, spekulativ und kontrovers: Glasklare Logik trifft freie Spekulation. [gw]

 

Das Beste aus zwei Welten: Ferdl Schuster eröffnete 1996 in der Münchner Wörthstraße sein bayerisch-japanisches Wirtshaus. Zwischen Sake und Weißbier, Sushi und Würstl, Sashimi und Schweinsbraten entfaltete das Nomiya seine ganz besondere Atmosphäre. Im letzten Jahr musste es schließen: die Pacht, die Krise, das Alter.


 
 

Enrique Gomez de Molina, der das Handwerk des Ausstopfens, Restaurierens und Konservierens von seinem Vater gelernt hat, versteht sich eigentlich als Umweltkünstler, der mit seinen Werken auf die Gefahren aufmerksam machen will, denen eine Vielzahl von Arten ausgesetzt ist: Atom- und Chemiemüll, Gentechnik und menschliche Eingriffe spielen bei der Konzeption seiner surrealen Werke eine Rolle.


Fünf Cliches über Hybridität, die Sie nicht glauben sollten …
 

Wussten Sie, dass 8daw-Artikel von Cyborgs verfasst werden? Nimmt man die Definition »Mischwesen aus biologischem Organismus und Maschine« wörtlich – wie es teilweise getan wird –, reichen schon Brille und Tastatur, um einen soziotechnisches Zwitterwesen zu generieren. Dass man den angeblich klüger aussehenden Brillenträgern eine Art künstliche Intelligenz andichtet, sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die menschliche Intelligenz der artifiziellen in vielerlei Hinsicht überlegen ist. Schon aufgrund der Personalismus-These, die der Psychologe William Stern in Personen und Sachen aufstellt: Dass sich Menschen von Maschinen vor allem durch ihren Drang zur Selbstentfaltung und ihre daraus resultierende Entwicklung unterschieden. Zudem ist es gemäß dem Moravec’schen Paradox unmöglich, einem Computer die Wahrnehmungsfähigkeit selbst eines Kleinkinds beizubringen, während er jedoch bei Intelligenztests Leistungen auf Erwachsenenlevel vollbringt. Kombiniert man also die Intelligenzen von Maschinen und Menschen, so entsteht daraus eine hybride Intelligenz mit maximaler Problemlösungskompetenz.

Dass Mischformen nicht nur in soziotechnischen Systemen zu positiven Ergebnissen führt, sondern auch in soziokulturellen, begründet der indische Literaturtheoretiker Homi K. Bhabha so: Sieht er doch Kulturen als offene, sich ständig wandelnde Gebilde, die von gesellschaftlichen Diskursen geprägt sind, welche oft in einen allgemeinverträglichen Kompromiss münden. Aus kultureller Differenz wird kulturelle Hybridität – mit vielleicht ungeahnter hybrider humaner Intelligenz, welche die androide weit übertrifft: Interessanterweise meint Intelligenz nur im westlichen Kontext die Fähigkeit, logische Probleme korrekt zu lösen. Die Luo in Kenia unterscheiden zum Beispiel vier Arten: Neben den intellektuellen Fähigkeiten Rieko kennen sie Luoro als respektvollen Umgang mit anderen, Paro als Kreativität und Winjo als Lösung von Alltagsproblemen. [sib]

 

Die Headline zu diesem Artikel stammt übrigens wörtlich von einer künstlichen Intelligenz, nein, nicht von einem Redakteur mit Brille, sondern von einem Headline-Generator, und zeigt, dass der zurzeit vielbeschworene hybride Journalismus im Augenblick noch nicht ohne menschliche Unterstützung auskommt. Aber immerhin schreiben Computer bereits selbst Meldungen, moderieren Kommentare und erstellen automatisiert Infografiken. Was sie richtig gut können, ist, Datenbanken durchforsten nach lohnendem Recherchematerial. Und den Menschen aufgrund von Algorithmen sagen, welche Themen in welcher Aufbereitung gerade besonders gefragt sind. Da heißt es aufpassen, sagt der US-Journalist Diakopoulos, dass wir nicht irgendwann nur noch für Maschinen schreiben.


 
 

Bei der 2019 in Berlin vom Urban Nation Museum for Urban Contemporary Art organisierten Ausstellung im öffentlichen Raum namens Robots and Relics: Un-Manned wurde de Molina mit Hinweis auf seine frühere Verurteilung nach anfänglicher Begeisterung wieder ausgeladen – unter Protest seiner Galeristin Bernice Steinbaum. Diese Form von Zensur sei unverständlich, zumal der Künstler für seinen falschen Umgang mit den Ausgangsmaterialien gebüßt hat: »Wir bemühen uns, einen neuen Veranstaltungsort in Berlin zu finden, der dem Publikum die einzigartige Möglichkeit bietet, einige von Enriques visuell ansprechenden und zum Nachdenken anregenden Kreationen zu entdecken.«


Kalender
Veranstaltungen, Ausstellungen und mehr aus dem Umfeld der 8daw-Redaktion
 

Dienstag, 22. Juni 2021, 12:00 bis 18:00 Uhr

Kultur braucht Inklusion – Inklusion braucht Kultur. Eine Bestandsaufnahme


An welchen Stellschrauben müssen wir drehen, damit wirklich jeder gleichberechtigt an jeder Kulturveranstaltung teilnehmen bzw. Kulturorte besuchen kann? Was ist zu tun, damit Künstler·innen mit Behinderungen gleichermaßen in allen Sparten und Bereichen der Kultur vertreten sind? Der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung und der Deutsche Kulturrat laden zur Online-Tagung zum Thema Inklusion und Kultur. Im dritten Panel Barrierefreiheit – mehr als Rampen und Aufzüge ab 14:45 Uhr wird auch Boris Kochan für den Deutschen Designtag zu Wort kommen.


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Samstag, 26. Juni 2021, ab 18:00 Uhr

5. Kunst.Kultur.Kongress in Würzburg: Designkultur ermöglicht Wandel


Bei den fast dreiwöchigen Veranstaltungen des Würzburger Councils Kunst und Kultur im Rahmen des 5. Kunst.Kultur.Kongresses wird es am 26. Juni um konkrete Beispiele für Design und Nachhaltigkeit gehen, unter anderem mit der Eröffnung der Ausstellung der ausgezeichneten Werke des Green Product Awards, mit Beiträgen von Prof. Dr. Günther Bachmann und Boris Kochan sowie Gesprächen mit dem Designberater Ralph Habich und der neuen Geschäftsführerin von bayern design, Nadine Vicentini. Ziel: Gemeinsam eine nachhaltig fundierte Zukunft zu entwerfen!


Das Fundstück der Woche

 
 
 

»Wer auch nur 20 Minuten lang ein Spinne und ihre Netzwerkarbeit beobachtet, verändert das eigene Leben« – der Bio-Art-Künstler Tomás Saraceno war bereits als kleiner Junge von den gestalterischen Fähigkeiten der Spinnen im Speicher des 500 Jahre alten Elternhauses fasziniert: (Natur-)Architektur pur! »Jeden Tag versuche ich, Ideen, Lebensbereiche und Arbeitsweisen zu entdecken, die uns selbst herausfordern und die Art und Weise, wie wir die Welt sehen, infrage stellen.« In einem sehenswerten Interview erzählt er von seiner Überzeugung, dass Kunst und Wissenschaft zusammengehören und uns dabei helfen können, »neue Allianzen zwischen den Disziplinen zu bilden und unsere Komfortzone des Handelns, des Sehens und Wahrnehmens und ganz generell des Seins in der Welt zu verlassen.«


 
 

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In der 8daw-Ausgabe BETA #13 vom 24. Juli 2020 haben wir uns unter anderem mit dem Thema geschlechter­spezifische Schreib­weise beschäftigt. Im Ergebnis fanden wir die Empfehlung eines Lesers für uns am geeignetsten: »Der Mittel­punkt (MacOS: Shift+Alt+9; Windows: Alt+0183) wird eingesetzt wie der Asterisk *, stört jedoch deutlich weniger den Lese­fluss der Leser·innen, weil er nicht nach Fußnoten ruft und auch keine Text­lücken reißt wie der Gender_Gap. Im Hinblick auf Lesbarkeit und Typografie­qualität also eine bessere Alter­native, und inhaltlich – als Multiplikationszeichen verstanden – treffend. Oder?« Wir stellen unseren Autor·innen jedoch frei, ob sie den Mittel­punkt oder eine andere Form benutzen. Alle personen­bezogenen Bezeichnungen sind jedenfalls geschlechts­neutral zu verstehen.


8daw ist der wöchentliche News­letter von Boris Kochan und Freunden zu Themen rund um den Wandel in Gesellschaft, Kultur und Politik, Unternehmen und Organisationen. Er erscheint in Verbindung mit Kochan & Partner und setzt so die lang­jährige Tradition der Netzwerk­pflege mit außer­gewöhnlichen Aus­sendungen in neuer Form fort. 8daw versteht sich als Community- und Kollaborations-Projekt insbesondere mit seinen Leser·innen – Kooperations­partner sind darüber hinaus zum Beispiel die GRANSHAN Foundation, die EDCH Foundation, der Deutsche Designtag (DT), der BDG Berufsverband der Deutschen Kommunikations­designer und die Typographische Gesellschaft München (tgm).

 

Herausgeber und Chefredakteur von 8daw sowie verantwortlich im Sinne des Presserechts ist Boris Kochan [bk], Hirschgarten­allee 25, 80639 München, zu erreichen unter boris.kochan@eightdaw.com oder +49 89 178 60-900 (facebookfacebookfacebook)
in Verbindung mit
Kochan & Partner GmbH, Hirschgarten­allee 25, 80639 München, news@kochan.de

Redaktion: Ulrich Müller [um] und Gabriele Werner [gw]; Chefin vom Dienst/Lektorat: Sigrun Borstelmann [sib]; Regelmäßige Autoren: Markus Greve [mg], Sandra Hachmann [sh], Herbert Lechner [hel], Nina Shell [nsh], Martin Summ [mas]; Illustrationen: Martina Wember [mwe]; Bildredaktion, Photo-Editing: Pavlo Kochan [pk] mit Unterstützung der Bild­redaktion von Kochan & Partner; Homepage: Pavlo Kochan [pk]; Design/Technik: Michael Bundscherer [mib]; Schriften: Tablet Gothic von Veronika Burian und José Scaglione sowie Coranto 2 von Gerard Unger über TypeTogether; Versand über Clever Reach.

Bildnachweis: 
Bild 1 – 3: Courtesy of Imgur

Fundstück: Spinnennetz fotografiert von Matthieu Joannon


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