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8daw

ei8ht days a week – Streifzüge durch den Wandel

mit Boris Kochan und Freunden am 15. Januar 2021

 
 

Sehr geehrte Damen und Herren,

auch die Ausnahme hat sich gewandelt – von der erfreulichen -erscheinung zum krisenbedingten -zustand. Sobald sie das eher beiläufig-vorübergehende verliert und den Alltag beherrscht, gibt es eine unweigerliche Sehnsucht zurück zum Normalzustand. In unendlich vielen kleinen alltäglichen Entscheidungen suchen wir uns unsere ganz persönlichen Schlupflöcher,  folgen unserer Alltagssucht, wie Sascha Lobo schon vor Monaten beobachtete: »Wann bekomme ich endlich, endlich wieder Alltag, nur einen Tropfen?« Souverän ist das nicht – auch wenn die Inkonsistenzen und mangelnde Weitsichtigkeit politischer Entscheidungen die eigene Interpretation so nahe legt.

Wer über die Ausnahme nachdenkt, kommt schwerlich am dänischen Philosophen Søren Kierkegaard vorbei – so auch wir in dieser 8daw-Ausgabe gleich mehrfach nicht: »Wo Leben ist, ist Widerspruch«. Der Gegensatz von Freiheit und Pflicht bedarf des Ausgleichs, denn das Kunststück ist es, »beide Seiten zusammenzubringen« ... ohne deswegen das Paradoxe der Existenz zu ignorieren. Wobei ich nicht umhin komme, an die valentineske Erklärung meines Stiefvaters zu denken: »Paradox ist, wenn der Rechtsanwalt links am Wald steht«. Um das zu verstehen, muss die Logik eine kleine Auszeit nehmen, ausnahmsweise ...

Ich wünsche ein sehr erfreuliches, ganz normales Wochenende!
Boris Kochan

 

Herzlich willkommen! Wir freuen uns sehr über die vielen neuen 8daw-Leser, die sich in der letzten Woche – nach der einmaligen Zusendung von 8daw als Neujahrsgruß an das Kochan-&-Partner-Netzwerk – zu einem Abonnement entschieden haben.

 

Von erfahrenen 8daw-Lesern wissen wir, dass sie je nach gerade nutzbarer Zeit oder auch thematischem Interesse unsere drei Leseebenen zur Entscheidung über ihre Leseintensität nutzen – die Fließtexte, gesetzt in Gerard Ungers klassisch-eigenwilliger Schrifttype Coranto 2, die weiterführenden Hinweise als Marginaltexte in der Tablet Gothic und die vertiefenden und belegenden Links, je nach Verfügbarkeit bzw. Bezahl- oder Registrierungsschranken mit zwei verschiedenen, speziell für 8daw entwickelten Linkzeichen versehen. Leider ließ sich die dritte Leseebene ausgerechnet bei der letzten 8daw-Ausgabe #17 nicht wie gewohnt nutzen, da die allermeisten Links aufgrund eines technischen Fehlers bei unserem Versendungspartner CleverReach ins Leere liefen: »Unknown Link«. Wir bitten dies zu entschuldigen und haben in der Chronik auf der 8daw-Webseite eine korrigierte Fassung bereitgestellt.

 

Übrigens: Ausnahmsweise übernimmt für die nächsten beiden 8daw-Ausgaben mein Freund und Kollege Ulrich Müller die Chefredaktion und damit auch das Editorial – ich nehme mir eine kleine Auszeit von den allermeisten und auch besonders gerne eingegangenen Verpflichtungen.


 
 

Selten war sie größer, diese Sehnsucht nach Ferne, nach Abwechslung und Auszeit vom allzu geregelt-regelmäßigen Alltag. Großer Dank an den Fotografen Dominik Parzinger, der uns für diese 8daw-Ausgabe Ausnahmen aller Art zur Verfügung gestellt hat, hier die Einsamkeit des Wohnmobils bei Antwerpen.


Von berechneten und erhofften Regeln
 

Wer die Ausnahme begreifen will, sollte die Regel kennen. Allerdings können auch auf Regeln relativierende Kräfte einwirken. Ein Ei hart zu kochen braucht etwa acht Minuten in 100 Grad heißem Wasser – im Tal. Auf einem Berg aber, sagen wir dem Mount Everest, wo der Luftdruck deutlich geringer ist, siedet das Wasser schon bei 71 Grad. Entsprechend länger dauert es, bis das Wasser genügend Wärme an ein Ei abgeben kann, um es hart zu kochen. Man spricht hier von einer Relativ-Regel.

Um eine ausgleichende oder salomonische Regel handelt es sich, wenn zwischen unterschiedlichen Konditionen vermittelt werden muss, um einen Standard festzulegen. So empfiehlt die DIN-Norm ISO 5970 als Höhe für Sitzmöbel 46 cm. Zugrunde liegt die durchschnittliche Körpergröße eines erwachsenen deutschen Mannes (1,80 m) und einer ebensolchen Frau (1,66 m). Wird zwischen beiden Größen vermittelt, entsteht eine bereinigte Körpergröße von 1,73 m, aus der sich die Sitzhöhe (nicht der Sitzkomfort) errechnet.

Wer sich für Regeln und ihre Ausnahmen interessiert, sollte auf jeden Fall beim Deutschen Institut für Normung vorbeischauen. Auch wenn (oder weil) das Institut auf die Vereinheitlichung von Gegenständen hinzielt, wandelt sich das Normenwerk kontinuierlich. Über 2.000 DIN-Normen werden jährlich neu definiert und dann alle fünf Jahre überprüft, eventuell weiterentwickelt oder auch zurückgezogen. Selbst Ausnahmen können übrigens geregelt werden und verbleiben damit im Berechenbaren. Wenn die Ausnahmen aber – frei nach Søren Kierkegaard – mit Leidenschaft gedacht und gemacht sind, können sich neue, erhoffte Regeln bilden und entfalten. [gw]

 

»Man leidet nicht am Down-Syndrom, man genießt es« – Pablo Pineda, das Ausnahmetalent mit Ausnahme-Syndrom lebt Wandel … und beginnt eine neue, erhoffte Regel einzuführen. Sein Ziel ist (hier in einer kurzen, die gute Laune sehr befördernden ZEIT-ONLINE-Reportage dokumentiert): Die inklusive Gesellschaft.


 
 

Auf der Suche nach dem verlorenen Zimmer – durch welches lässt es sich wohl aus Antwerpen am Besten entkommen?


Jenseits des Zauns
 

Neuerdings hört man von der wachsenden Besorgnis, es könnte demnächst zu postcoronaren Ausbrüchen von Depressionen bei Haustieren kommen. Die tierischen Hausgenossen, heißt es, könnten sich so sehr an den Ausnahmezustand der Dauerpräsenz von Frauchen und/oder Herrchen gewöhnt haben, dass mindestens traumatisierende Verlustängste drohten, wäre erst einmal wieder Normalität in den Alltag eingekehrt und Hund, Katz und Co. würden wieder alleine zu Hause sitzen. Tieren im Zoo wird übrigens nachgesagt, ihrer seelischen Verfassung würde das Lockdown-bedingte Ausbleiben der liebgewonnenen Besucher auch gar nicht gut bekommen.

Das ist zwar unbewiesen, lädt dafür aber umso mehr zu Spekulationen ein: Würden Zootiere zum Beispiel denken, dass Besucher·in x, y oder z ganz gezielt »mich!«, sei ich Zebra oder Elefant, aufgesucht hätte, würde das bei den Tieren so etwas wie ein Ich-Bewusstsein voraussetzen. Genau das scheint zumindest für manche Arten zuzutreffen, wie Forschungen nahelegen, die damit handfeste ethische Fragen aufwerfen.

Noch verschärfter wird es, wenn gestandene Wissenschaftler mit Blick auf den digitalen Wandel und die Rede von der Herrschaft künstlicher Intelligenzen davon sprechen, dass auch wir Menschen demnächst wie Tiere im Zoo sein werden und unser viel gepriesenes Ich- und Selbstbewusstsein dann nur noch Makulatur ist. Wie aber sähe es dann auf der anderen Seite des Zauns aus? Können künstliche Intelligenzen überhaupt ein besonderes Ich-Bewusstsein entwickeln und sich so dafür qualifizieren, Mensch oder Tier ebenbürtig oder gar überlegen zu sein? Und spielt dieses Bewusstsein wirklich eine so wichtige Rolle für unsere existenzielle Verfasstheit? Schauen wir doch mal nach, was der Philosoph Søren Kierkegaard dazu sagt: »Was uns umtreibt, (…) ist nicht nur das Ungenügen, das wir an der Welt empfinden, sondern das Wissen von uns selbst.« [um]

 

Häufig wird der sogenannte Ausnahmezustand herbeizitiert, wenn von Corona die Rede ist, was umgangssprachlich völlig in Ordnung ist. Einer genaueren Überprüfung hält diese Gepflogenheit jedoch nicht Stand, denn der Begriff des Ausnahmezustands ist eigentlich ein politischer, der nichts weniger meint, als die Aufhebung der Gewaltenteilung und der Verfassung. Und das ist aus gutem Grunde im Deutschen Grundgesetz nicht vorgesehen, wie uns die Bundeszentrale für politische Bildung erinnert.


 
 

Niemand da in Athen: Nur ganz viel unerledigte Arbeit … und ein Stuhl mit Aussicht!


Ausnahme-Erweiterungen eines Multifunktionstools
 
 

8daw-Illustratorin Martina Wember macht eine Ausnahme und hat anstelle von Wemberlines für die einzelnen Beiträge gleich einen ganzen Artikel gezeichnet ...


 
 

Tierische Aussichten – angeblich können Haustiere das Wetter vorhersagen. Wie wird es wohl morgen in Ostfriesland?


Ganz schön freaky
 

Das geht: Leben ohne zu altern. Allerdings, und das ist die schlechte Nachricht, nur wenn man ein Nacktmull ist. Stopp – ausziehen hilft nicht! Und es wird noch ungerechter: Forscher behaupten sogar, dass das menschliche Entwicklungsmodell mit abnehmender Fruchtbarkeit und zunehmender Sterblichkeitsrate im Alter eine evolutionäre Ausnahme sei. Bei der Schildkröte Gopherus agassizii, der Eiche Quercus rugosa, dem Silbersturmvogel, dem Crocodylus johnsoni, der Hydra magnipapillata sieht das alles anders aus. Ausnahmen scheinen in der Natur die Regel zu sein: Weiße Zwerge mit Sauerstoff-Atmosphäre, Kohlenstoffreservoire im Waldboden, zunehmende Artenvielfalt in Gegenrichtung des Äquators … Gott ist so kapriziös, dass sie eigentlich nur eine Frau sein kann! Oder nennen wir den Versuch, die Welt kalkulierbar zu machen, einfach Naturgesetz.

Apropos: Eine Ausnahme von der Keine-Regel-ohne-Ausnahme-Logik ist die Mathematik – sie kennt keine Ausnahmen. Denn: Was nicht immer wahr ist, ist falsch! Andere Wissenschaften können diese Eindeutigkeit nicht für sich verbuchen, auch wenn sie sich hinter Zahlen verstecken. So verpasst etwa die Psychologie Ausnahmetalenten den Stempel Hochbegabung, wenn ihr IQ die 130 übertrifft – die symptomatische Ähnlichkeit mit ADHS führt ab und an zu Irritationen zwischen Eltern und Lehrkörper. Wunderkinder wiederum beglücken ihre Erzeuger oft mit einseitigen, aber einträglichen Talenten, sodass ihr Schicksal auch heute noch oft dem siamesischer Zwillinge ähnelt, die in raueren Zeiten auf Freakshows zur Schau gestellt wurden. Womit wir wieder bei der Laune der Natur wären, denn das bedeutet Freak, und zugleich Unnormaler, aber auch Begeisterter. Schade eigentlich, dass Begeisterung offensichtlich zur Ausnahmeerscheinung geraten ist. [sib]

 

Nur weiße Wolle lässt sich färben, deshalb sind schwarze Schafe bei den Züchtern unbeliebt. Und im übertragenen Sinn auch in der Gesellschaft, leisteten aber als Sündenbock schon immer einen eher unfreiwilligen Beitrag zum sozialen Frieden. Inzwischen ist das schwarze Schaf gar Kult geworden: Es gibt Ratgeber, wie man zum schwarzen Schaf der Familie wird, und Unternehmen, die unter diesem Namen firmieren. Kein Wunder, denn die Grenze zur Genialität ist manchmal schwimmend, wie etwa der Ausnahmemusiker Prince beweist, der zwischen personifiziertem Bösen für die einen und Abgott für die anderen changiert.


 
 

Ach, wie gerne würden wir jetzt hier sein – ausnahmsweise auch bei Regen, doch: Die 59. Biennale Arte in Venedig wird wegen der Corona-Pandemie um ein Jahr auf 2022 verschoben. Und die Architektur-Biennale, die im August diesen Jahres hätte beginnen sollen, findet nun ab Mai 2021 statt ...


Das Fundstück der Woche

 
 

Nicht ganz so berühmt wie der Pére Lachaise in Paris oder der Zentralfriedhof in Wien ist der Alte Südliche Friedhof, das Gedächtnis der Stadt München. Viele Ausnahmepersönlichkeiten sind hier begraben, unter anderem die Architekten Leo von Klenze und Friedrich von Gärtner, der Autor vom Brandner Kasper, Franz von Kobell, der Maler Carl Spitzweg und auch der Riese vom Tegernsee. 2008 unternahm die Typographische Gesellschaft München (tgm) eine Typographische Ortsbesichtigung zum über 450 Jahre alten Ruheort wegen seiner einzigartigen Inschriften und auch um Aloisius Senefelder, den Erfinder Lithographie zu würdigen: »Auch wenn die Zeit auf Fried­höfen still zu stehen scheint, spielt sie eine entscheidende Rolle«. Bei einigen Statuen legte sich vor ein paar Tagen dann noch der Schnee schützend um die Schultern und gab dem Kopf Bedeckung … ausnahmsweise.


 
 

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In der 8daw-Ausgabe BETA #13 vom 24. Juli 2020 haben wir uns unter anderem mit dem Thema geschlechter­spezifische Schreib­weise beschäftigt. Im Ergebnis fanden wir die Empfehlung eines Lesers für uns am geeignetsten: »Der Mittel­punkt (MacOS: Shift+Alt+9; Windows: Alt+0183) wird eingesetzt wie der Asterisk *, stört jedoch deutlich weniger den Lese­fluss der Leser·innen, weil er nicht nach Fußnoten ruft und auch keine Text­lücken reißt wie der Gender_Gap. Im Hinblick auf Lesbarkeit und Typografie­qualität also eine bessere Alter­native, und inhaltlich – als Multiplikationszeichen verstanden – treffend. Oder?« Wir stellen unseren Autor·innen jedoch frei, ob sie den Mittel­punkt oder eine andere Form benutzen. Alle personen­bezogenen Bezeichnungen sind jedenfalls geschlechts­neutral zu verstehen.


8daw ist der wöchentliche News­letter von Boris Kochan und Freunden zu Themen rund um den Wandel in Gesellschaft, Kultur und Politik, Unternehmen und Organisationen. Er erscheint in Verbindung mit Kochan & Partner und setzt so die lang­jährige Tradition der Netzwerk­pflege mit außer­gewöhnlichen Aus­sendungen in neuer Form fort. 8daw versteht sich als Community- und Kollaborations-Projekt insbesondere mit seinen Leser·innen – Kooperations­partner sind darüber hinaus zum Beispiel die GRANSHAN Foundation, die EDCH Foundation, der Deutsche Designtag (DT), der BDG Berufsverband der Deutschen Kommunikations­designer und die Typographische Gesellschaft München (tgm).

 

Herausgeber und Chefredakteur von 8daw sowie verantwortlich im Sinne des Presserechts ist Boris Kochan [bk], Hirschgarten­allee 25, 80639 München, boriskochan.com, zu erreichen unter boris.kochan@eightdaw.com oder +49 89 178 60-900 (facebookfacebookfacebook)
in Verbindung mit
Kochan & Partner GmbH, Hirschgarten­allee 25, 80639 München, news@kochan.de

Redaktion: Ulrich Müller [um] und Gabriele Werner [gw]; Chefin vom Dienst/Lektorat: Sigrun Borstelmann [sib]; Regelmäßige Autoren: Markus Greve [mg], Sandra Hachmann [sh], Herbert Lechner [hel], Nina Shell [nsh], Martin Summ [mas]; Illustrationen: Martina Wember [mwe]; Bildredaktion, Photo-Editing: Pavlo Kochan [pk] mit Unterstützung der Bild­redaktion von Kochan & Partner; Homepage: Pavlo Kochan [pk]; Design/Technik: Michael Bundscherer [mib]; Schriften: Tablet Gothic von Veronika Burian und José Scaglione sowie Coranto 2 von Gerard Unger über TypeTogether; Versand über Clever Reach.

Bildnachweis:
Alle Bilder von © Dominik Parzinger
mit Ausnahme des Fundstücks,
fotografiert von Boris Kochan


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