ei8ht days
a week – Streifzüge durch den Wandel
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mit Boris Kochan und Freunden am 11. Februar
2022
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Sehr
geehrte Damen und Herren,
Walnüsse dürfen im
Herbst vom Baum fallen. Selbst dann, wenn Nachbarn oder Autos darunter
leiden. Dies ist die Quintessenz
mehrerer Gerichtsurteile – denn Früchte, die von Bäumen fallen,
gehören zu den »Gegebenheiten der Natur«. Was hier so salomonisch
rüberkommt, der Natur eine Art eigenes Recht zuzugestehen, bekommt eine ganz
andere Dimension, wenn man diese Idee weiterverfolgt: Wie wäre es, ihr – ja
wirklich: der Natur – eine Stimme im Gesetzgebungsprozess zu geben?
Vielleicht braucht es zukünftig Parlamentarier, die von Bäumen und Tieren,
von Flüssen, Meeren und Bergen gewählt werden … wobei es natürlich
intensiver Überlegungen bedarf, wie ein solcher Wahl- oder
Bestimmungsvorgang aussehen könnte. Hilfreich bei den Überlegungen könnte
sein, dass die Mitglieder des Bundestags ja eben auch nur Abgeordnete
ihres Wahlkreises sind …
Was wäre wenn
und wenn ja, bis wann ist dabei nur eine der Fragen, die das
Robert-Koch-Institut und andere Forschungseinrichtungen gerade dann mit
ihren Simulationen und Modellierungen verfolgen, wenn die Statistik keine
einfachen Antworten gibt. Sondern die Eigendynamik des Systems oder gar
mehrerer Systeme eine relevante Rolle spielt. Ich habe mich bei
den Ergebnissen zu den möglichen Verläufen der Omikronwelle allerdings
gefragt, ob diese Modelle den Entscheidern in Politik und Regierung
tatsächlich helfen … vielleicht ähnlich wenig, wie die Worst-Case-Szenarien
bei unternehmerischen (Jahres-)Planungen regelmäßig dazu führen, dass man
den Laden eigentlich auch gleich zusperren könnte.
Die Suche nach
Systemen und Strukturen, mit denen sich die Welt (vielleicht etwas besser)
erklären lässt, hat
auch Claude Lévi-Strauss umgetrieben: In seinen Untersuchungen
unterscheidet er schlussendlich sehr wohlfeil zwischen dem Rohen und
dem Gekochten, dem wilden Denken primitiver Völker und dem
domestizierten Denken der Europäer – wobei er darin keinen
Wertunterschied sehen möchte! Ähnlich großzügiges Denken bedarf es
sicherlich, wenn wir uns mit Walnüssen als Entität oder auch den
Simulationen einer von Metaversum
und Virtual Reality geprägten Zukunft auseinandersetzen ….
Ich wünsche Ihnen kleine Fluchten und große Ideen für dieses Wochenende!
Boris Kochan
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Würde
die Nordsee nach ihrer Meinung gefragt, ob sie weiterhin XXL-Handelsschiffe
und Tanker in ihren Gewässern akzeptieren möchte, was würde sie sagen? So
beginnt Astrid Kaminski ihren Artikel Die Robben und die
Seepferdchen. Was also wäre, wenn die Nordsee sprechen könnte?
Wenn sie Rechte hätte? Ecuador nimmt 2008 Grundrechte für die Natur in die
Verfassung auf. Vielerorts schließen sich heute Architekt·innen,
Biolog·innen, Designer·innen, Künstler·innen, Wissenschaftler·innen,
Jurist·innen, politisch Engagierte zu Initiativen zusammen, die den Menschen
nicht länger als Maß aller Dinge, sondern als Teil einer größeren
Gemeinschaft sehen. Sie alle schmelzen die Grenzen parallel existierender
Welten an, wirken auf die Durchlässigkeit bislang streng gesetzter Trennung
hin, etwa zwischen Tier und Mensch.
Die amerikanische
Biologin
und Philosophin Donna Harraway spricht von einer
Multi-Spezies-Welt, in der sie die »Grenzziehungen zwischen
Mann/Frau, Mensch/Maschine und Physischem/Metaphysischem aufzuheben und neu
zu denken« versucht. In einem mehrjährigen Forschungsprojekt probiert das
interdisziplinäre Kollektiv Embassy of the North Sea, »Dingen,
Pflanzen, Tieren, Mikroben und Menschen in und um die Nordsee« zuzuhören, um
herauszufinden, wie all dieses Leben politisch repräsentiert werden könnte.
Bis 2030 soll die Nordsee als juristische Person anerkannt sein – mit einem
Sitz im Parlament. [gw]
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This is the world we live in …
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…sangen
Genesis in
ihrem genialen Musikvideo mit den zerknautschten Figuren
von Spitting Image. Land of Confusion heißt der Hit von
1986, der heute auch World of Confusion betitelt werden könnte. Eine
Welt, in der man sich tagtäglich fragen möchte, ob das alles eigentlich noch
wahr sein kann.
Ist es nicht, hat
Elon Musk in einem Interview der Joe Rogan Experience Show behauptet,
in dem er gemeinsam mit dem Moderator und zum Entsetzen vieler
Anleger·innen vor
laufender Kamera einen Joint duchgezogen hat. Abgesehen davon hat Musk
in der Show auch geredet und zwar darüber, dass er daran glaube, dass wir in
einer Simulation leben würden. So ähnlich wie in der Matrix-Filmreihe,
in der die Menschheit narkotisiert in Nährstofftanks vor sich hin dämmert,
während ihr ein munteres Leben in einer computersimulierten Welt
vorgegaukelt wird. Die Science-Fiction-Vorlage hat übrigens auch Rainer
Werner Fassbinder in
seinem Fernsehfilm Welt am Draht verfilmt und es darf vermutet
werden, dass auch ein gewisser Nick
Bostrom sich davon inspirieren ließ.
Bostrom, Philosoph und Professor in Oxford, wurde schlagartig
weltbekannt, als er 2003 die sogenannte Simulationshypothese
aufstellte, in der er in einem abstrakt logischen Gedankenexperiment zu der
Schlussfolgerung kam, dass es durchaus wahrscheinlich sei, dass wir in so
einer Simulation leben, womöglich selbst nur computergenerierte Simulationen
sind. Denken wir nur an unseren Bundeskanzler, dann könnte diese Hypothese
selbst den ärgsten Zweifler·innen plötzlich irgendwie plausibel erscheinen.
Ausgedacht haben soll sich das alles eine hochintelligente
Vorgängerzivilisation oder irgendwelche Aliens. Feine Sache: Denn wenn
unsere Wirklichkeit nur eine von höheren Mächten ausgedachte und
programmierte ist, was kümmern uns dann Krieg, Hunger oder ökologische
Krise? Wir können ja eh nichts daran ändern, willenlos und fremdgesteuert
wie wir sind. Für die Musks dieser Welt ein prima Argument dafür, ohne
schlechtes, ja überhaupt ohne Gewissen ihren irrwitzigen Reichtum für
Raketenexperimente, Privatjets,
Superyachten und sonstigen dekadenten Kram zu verpulvern. This is the world
we live in. [um]
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Aufgabe des Designs ist
bekanntermaßen nicht, Dinge hübsch zu machen – sondern: hässlich. Design ist
nicht das Pflaster auf der Wunde unserer Gesellschaft, nicht einmal der
Finger, der sich hineinlegt, nein, es muss die Wunde selbst sein. Es soll
nicht nutzerfreundliche Konsumprodukte entwerfen, sondern nutzerfeindliche
Ideen generieren. Was wäre wenn? Diese Frage ist das Material, mit
dem
Speculative Design arbeitet, weshalb seine
Erfinder Anthony Dunne und Fiona Raby – der eine Professor und Leiter
des Design Interactions Programs am Royal College of Art, die andere
Professorin für Industriedesign an der Universität für angewandte Kunst in
Wien –, es auch Critical Design genannt haben.
Die visionäre
Methode mag tatsächlich auch Produkte abwerfen, die man real umsetzen und
kommerziell vermarkten könnte, wie
etwa die Menschenversandbox der Daimler-Tochter moovel
lab. Häufiger aber entstehen wohl abstruse Gedankengebilde wie
Ai
Hasegawas Werk I Wanna Deliver a Dolphin, das mit dem Szenario
der Geburt nicht-menschlicher Tiere durch Menschen spielt, um auf die
Problematik von Überbevölkerung und Artensterben aufmerksam zu machen.
Solche Projekte sollen vor allem Debatten provozieren, um – wie letztlich
jeder Designprozess – die Zukunft zu verbessern.
Warum dann nicht
gleich unser Leben mitsamt potenzieller Zukunftsprobleme ins Virtuelle
verlegen,
fragt Designer und Innovationsberater Karel Golta mit Blick auf die
vielen Produkte,
die heute schon für die phygitale Welt entworfen werden: von der Kleidung
bis zur Kosmetik. Das Metaversum steht in seinen Augen für Circular
Design, denn es »entkoppelt die Endlichkeit unserer planetaren
Materialität vom Drang des sesshaften Menschen immer mehr besitzen zu
wollen.« Außer Energie keine Ressourcenverschwendung, keine Abfälle mehr.
Und trotzdem jede Menge (virtueller) Konsumprodukte, die einfach nur schön
sein dürfen. [sib]
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The
Goatman, oder: Urlaub vom Menschsein. Gerade jetzt erscheint
diese Perspektive interessanter denn je, zumindest Covid-19-Viren- und auf
jeden Fall diskussionsbefreit. Thomas
Thwaites hat es versucht, hat sich eine Pansenprothese angelegt, ist
auf vier Beinen, Gras fressend, gemeinsam mit Ziegen-Kolleg·innen durchs
Voralpenland gezogen (hier
auch als Video zu sehen). Und hat im Versuch, Tier zu werden, seine
Ängste bezwungen – und dabei an Goethes Text aus den Leiden des jungen
Werther gedacht: »Eine wunderbare Heiterkeit hat meine ganze Seele
eingenommen, gleich den süßen Frühlingsmorgen, die ich mit ganzem Herzen
genieße. Ich bin allein und freue mich meines Lebens in dieser Gegend, die
für solche Seelen geschaffen ist, wie die meine. Ich bin so glücklich, mein
Bester, so ganz in dem Gefühle von ruhigem Dasein versunken, daß meine Kunst
darunter leidet. Ich könnte jetzt nicht zeichnen, nicht einen Strich, und
bin doch nie ein größerer Maler gewesen als in diesen Augenblicken.«
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In der 8daw-Ausgabe
BETA #13 vom 24. Juli 2020 haben wir
uns unter anderem mit dem Thema
geschlechterspezifische Schreibweise
beschäftigt. Im Ergebnis fanden wir die Empfehlung
eines Lesers für uns am geeignetsten:
»Der Mittelpunkt (MacOS: Shift+Alt+9;
Windows: Alt+0183) wird eingesetzt wie der
Asterisk *, stört jedoch deutlich weniger
den Lesefluss der Leser·innen, weil er
nicht nach Fußnoten ruft und auch keine
Textlücken reißt wie der Gender_Gap.
Im Hinblick auf Lesbarkeit und
Typografiequalität also eine bessere
Alternative, und inhaltlich – als
Multiplikationszeichen verstanden – treffend.
Oder?« Wir stellen unseren Autor·innen jedoch
frei, ob sie den Mittelpunkt oder
eine andere Form benutzen.
Alle personenbezogenen Bezeichnungen sind
jedenfalls geschlechtsneutral
zu verstehen.
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8daw ist der wöchentliche Newsletter von
Boris Kochan und Freunden zu Themen rund um den
Wandel in Gesellschaft, Kultur und Politik,
Unternehmen und Organisationen. Er erscheint
in Verbindung mit Kochan & Partner und
setzt so die langjährige Tradition der
Netzwerkpflege mit außergewöhnlichen Aussendungen
in neuer Form fort. 8daw versteht sich als
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darüber hinaus zum Beispiel die GRANSHAN Foundation,
die EDCH Foundation, der Deutsche
Designtag (DT), der BDG Berufsverband der
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