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8daw
ei8ht days a week – Streifzüge durch den Wandel

mit Boris Kochan und Freunden am 13. März 2020

 
 

Sehr geehrte Damen und Herren,

um die Ecke gucken oder über den Tellerrand, den Standpunkt wechseln, in die Rolle des anderen schlüpfen: Perspektivwechsel! Kann man der Coronavirus-Pandemie nicht nur hie und da Tröstliches, sondern auch etwas fundamental Positives abgewinnen? Ab Montag schließen in Bayern die Schulen für fünf Wochen, die wirtschaftlichen Folgen wurden durch den Absturz der Börsen-Indizes erahnbar und wir alle sind aufgefordert – einer Risikominimierung-Strategie folgend –, Social Distancing zu betreiben. In einem lesenswerten Interview mit dezeen hat die immer wieder erstaunliche Trend-Ikone der Mode- und Textilbranche, Li Edelkoort, versucht, den längerfristigen, den anderen Blick zu wagen: Wir werden »in eine Quarantäne des Konsums geraten, in der wir lernen werden, wie wir nur mit einem einfachen Kleid glücklich sein können, indem wir alte Lieblingsstücke, die wir besitzen, wiederentdecken, ein vergessenes Buch lesen und alles daran setzen werden, um das Leben wieder schön zu machen«. 

Seit dem Tag des wohl tatsächlichen Brexits (was ist heute schon noch sicher?), seit dem 31. Januar 2020 versuchen wir, mit unserem wöchentlichen Newsletter-Experiment 8daw der Ausweglosigkeit ein Schnippchen zu schlagen, und machen kleine Angebote für das Mit- und Voneinander-Lernen. Die Idee hat viel zu tun mit einer Brieffreundschaft in neuer Form, mit Neudeutsch Community-Bildung: digital und trotzdem angreifbar, nah, persönlich, tastend. Auch in Zukunft, wenn wir voraussichtlich Ende April die Alpha-Testphase hinter uns lassen, werden wir – sicher nicht immer fehlerfrei – versuchen, ins Gespräch zu kommen. Gerade und insbesondere in Zeiten von rasender Beschleunigung und unheilvoller Distanz!

In großer Verbundenheit wünsche ich ein trotz allem entspannendes Wochenende!
Boris Kochan


Komm, lass’ uns Rollen tauschen!
 

Meist liegen sie etwas außerhalb der Städte: Werkstätten für (aus vielerlei Gründen) benachteiligte Menschen. Allein dieser Umstand verrät schon einiges über ihren Standort in unserer Gesellschaft. In diesen Werkstätten erfahren betroffene Menschen Tagesstruktur, Anleitung und Unterstützung bei der Bewältigung ihrer Aufgaben, sozialpädagogische Begleitung und nicht zuletzt das gute Gefühl, einen Beitrag für die Gemeinschaft zu leisten. Der kann – je nach Ausstattung der Werkstatt – vom Sortieren von Schrauben nach Größen über das Bauen einfacher Regale bis hin zum Weben von Flickenteppichen oder dem Herstellen von Fußschemeln reichen. Hier setzt die Idee von oursuperstore an: Warum weiter Ladenhüter wie Vogelhäuschen produzieren, wenn man mit gleicher Fertigkeit auch ansprechende und nachhaltig konzipierte Aufbewahrungsboxen, Kerzen aus Toilettenpapier oder Planentaschen herstellen kann? Durch die Zusammenarbeit von Designern mit benachteiligten Menschen sind vielfältig nützliche und intelligent gedachte Gegenstände entstanden, die bei der Munich Creative Business Week (MCBW – ab heute wegen der Coronavirus-Pandemie geschlossen) zu sehen und käuflich zu erwerben waren.

Besonders schön daran: Die Idee für dieses Projekt ist während eines Workshops von Designstudierenden gemeinsam mit sozialen Organisationen bei der MCBW 2018 entstanden, die Designwoche wird so auch immer mehr zum Inspirations- und Entwicklungsort. Entscheidend wird es jedoch sein, wie sich dieses Projekt weiter entwickelt. Wird es möglich sein, zukünftig auch die Namen der beteiligten Menschen aus den Werkstätten zu nennen? Lassen sich Menschen mit geistiger Beeinträchtigung – wie das zum Beispiel der leider nicht weitergeführte, für sie initiierte Designwettbewerb von EUCREA schon 2009 gemacht hat – zukünftig an Gestaltungsprozessen beteiligen? Oder als Perspektivwechsel – ganz im Sinne von Social Design: Was wäre, wenn Designer systematisch dabei behilflich wären, die Kreativität von benachteiligten Menschen zu fördern? [gw/bk]

»Kunst ist eine universelle Sprache, die jedem Menschen zur Verfügung steht«: Der bereits 1989 gegründete EUCREA Verband Kunst und Behinderung will zu einer Gesellschaft beitragen, in der es selbstverständlich ist, dass auch Kreative mit Behinderung ihre künstlerischen Fähigkeiten ausbilden, entwickeln und beruflich nutzen können. Dazu setzt EUCREA kreative Impulse mit international ausgerichteten Kulturfestivals für Musik, Tanz und Theater, mit Ausstellungen, Lesungen, Publikationen und Wettbewerben ein.

Pablo Pineda ist Lehrer, Schauspieler und Autor. In seinem dreiminütigen Video verdeutlicht der 43-jährige Spanier mit Downsyndrom, wie viel Spaß eine inklusive Gesellschaft machen könnte – ein Clip zum Kopf-Auslüften und Freuen.

 
 
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Ein Handtaschenschrank von Silke Kirschbaum, Schultaschen von Jana Kremmer und ein Topfhandschuh von Barbara Christ – ausgezeichnete Ergebnisse des leider eingestellten EUCREA-Wettbewerbs: Die höchst ungewohnten Gestaltungen überraschen und inspirieren. Übrigens auch Designer.

»Schneller, stärker, besser«

 

… so wurde im deutschen Fernsehen der 6-Millionen-Dollar-Mann der gleichnamigen 80er-Jahre-Kultserie angekündigt. Bündiger konnte man die beginnende Epoche der Hyper­beschleunigung nicht auf den Punkt bringen. Schluss mit Stirnband, Indien­klamotten und dem ganzen anämischen Hippiekram. Der stromlinienmäßig beschleunigte Mensch war bereit für eine neue Daseinsform, irgendwo zwischen Speed­trading und Speed­dating. Ein Fest für Burnout-Kliniken und Beziehungs­psychologen. 

Auch wenn Speed­dating mittlerweile nicht mehr ganz so im Trend ist, Beschleunigung ist ein beherrschendes Gegenwarts­thema geblieben. Digitale Trans­formation ohne immer kürzer werdende Innovations­zyklen ist nicht denkbar. Doch bei allem Guten bleibt die Gesellschaft auch darüber ungebrochen effizienzgetrieben. Sinnvoll ist, dass derzeit Supercomputer in Rekordzeit komplexe Lösungsmodelle für die Corona-Epidemie berechnen. Die italienische Edelmarke Pininfarina hingegen hat dieser Tage einen Elektro­sportwagen mit 1900 PS unter der Haube angekündigt, der in weniger als 2 Sekunden von 0 auf 100 km/h beschleunigt. 

Das stimmt nachdenklich. Wurden nicht erste Abgesänge auf die Elektro­mobilität angestimmt? Und geht es nicht immer wieder darum, auf deutschen Autobahnen endlich ein Tempo­limit durchzusetzen? Da wirkt so ein Gefährt merkwürdig aus der Zeit gefallen: Die Beschleunigung hat sich selbst überholt. Vielleicht empfiehlt es sich, mit dem großen Sten Nadolny wieder einmal die Langsamkeit zu entdecken? Vielleicht tut aber auch die Besinnung auf die Geschichte von jenem Native American auf Reisen gut, der auf die Frage, warum er denn am Wegesrand sitze, geantwortet haben soll, er warte, bis seine Seele nachgekommen sei. [um]

Seit 1977 hat der französische Philosoph und Medienkritiker Paul Virilio sich dem Thema der Geschwindigkeit angenommen. Mit seinem wohl berühmtesten Text „Rasender Stillstand“ hat er Geistesgeschichte geschrieben. Noch immer eine anregende Lektüre und eine wunderbare Lektion in der Kunst des Querdenkens.


ART der Betrachtung
 
Beim doppelten Salto wechselt die Perspektive kurz, aber schwindelerregend. Etwa, wenn die Villa Stuck, selbst Gold und Ornamentik pur, eine Ausstellung von Schmuck präsentiert, der aus dem besteht, was man auch hier am Abend aus den Ecken fegt: Schmutz. Denn Lisa Walker, eine der einflussreichsten Schmuckmacherinnen, hinterfragte plötzlich ihr Goldschmiedehandwerk, das schönen Tand als Statussymbol hervorbringt. Was ist Schmuck überhaupt? Warum sich nicht einfach eine volle Staubsaugerkartusche umhängen oder tote Küken an einer Schnur? Die Zierde unserer Gesellschaft. Wohl macht es Walker damit wie manche Pflanzen und Tiere, die Schmuck als Kommunikationsmittel nutzen …

Umgekehrt geht’s aber auch, wie Franz Erhard Walthers Shifting Perspectives im Haus der Kunst beweisen, wo etwa Sprache zum Werk-Stoff im wahrsten Sinn wird. Im Neuen Alphabet lässt der gelernte Typograf dreidimensionale Skulpturen in aktivierbaren plastischen Buchstaben aufgehen. Aktivierbar heißt bei ihm: Nicht die Kunst formt den Betrachter, sondern der Betrachter die Kunst. Schön formuliert das Blau und Gelb: Die Farbpigmente in Schraubgläsern auf einem Glaspodest fragen, ob denn ein Bild erst ein Bild sei, wenn es physisch existiert. Oder ob nicht die Vorstellungskraft genügt. Walthers Zeichenlehrer meinte übrigens zu dessen ersten Skizzen: »Mit Kunst hat das nix zu tun.« Sicher hat auch er schwindelnd die Perspektive gewechselt, nachdem sein Enfant terrible Jahrzehnte später mit dem Goldenen Löwen auf der Biennale ausgezeichnet wurde … [sib]

 
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Lisa Walker, Halskette Präparierte Entlein trifft (hier bei 8daw) auf Franz Erhard Walther, Versuch, eine Skulptur zu sein.

Kalender
Veranstaltungen, Ausstellungen und mehr aus dem Umfeld der 8daw-Redaktion
 
bis 17. April
Joseph Binder Award 2020

»Im Design hat alles eine Funktion« – dieser Satz des Namensgebers Joseph Binder steht leitend über dem von design austria ausgelobten Wettbewerb, der sich mittlerweile zu einem der führenden in Europa entwickelt hat.  Und dies bei vorbildlichen Konditionen und transparentem Jurierungsprozess. Mehr Informationen

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am 19. März

»New Work« – Neue Möglichkeiten für Kreative

Den Wandel lernen: Im tgm-Seminar mit Rita Schneider geht es um die neuen Möglichkeiten, die »New Work« gerade für Kreative bietet. Wie können Kreativ-Dienstleister für ihre Unternehmenskunden hierbei ein wertvoller Sparringspartner sein? Weitere Infos


Das Fundstück der Woche

 

Rasender Stillstand: Der Kulturbereich ist massiv von den abgesagten oder verschobenen Veranstaltungen betroffen – der Deutsche Kulturrat fordert entsprechend die Auflage eines Notfallfonds unter Leitung der Kulturstiftung der Länder und der Kulturstiftung des Bundes. Mit etwas Verspätung hat die Coronavirus-Pandemie jetzt auch den Sportbereich erreicht: Champignons League und Europa League wurden heute gestoppt. Eine wohl schon überfällige Maßnahme, wenn man sich die von Autor und Silicon-Valley-Unternehmer Tomás Pueyo unter dem Titel »Coronavirus: Why You Must Act Now« sehr gut gemachte statistische Aufbereitung verdeckter versus bekannter Fallzahlen in Relation zu den Todesfällen zu Gemüte führt.


 
 

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Ausschließlich aus Gründen der Lesbarkeit verzichten wir in unseren Beiträgen auf die geschlechts­spezifische Schreib­weise. Alle personen­bezogenen Bezeichnungen sind daher geschlechts­neutral zu verstehen.


8daw ist der wöchentliche News­letter von Boris Kochan und Freunden zu Themen rund um den Wandel in Gesellschaft, Kultur und Politik, Unternehmen und Organisationen. Er erscheint in Verbindung mit Kochan & Partner und setzt so die lang­jährige Tradition der Netzwerk­pflege mit außer­gewöhnlichen Aussendungen in neuer Form fort. 8daw versteht sich als Community- und Kollaborations-Projekt – als Kooperations­partner sind zum Beispiel die GRANSHAN Foundation e.V., die EDCH Foundation e.V., der Deutsche Designtag e.V. und die Typographische Gesellschaft München e.V. im Gespräch.

 

Herausgeber und Chefredakteur von 8daw sowie verantwortlich im Sinne des Presserechts ist Boris Kochan [bk], Hirschgarten­allee 25, 80639 München, boriskochan.com, zu erreichen unter bk@8daw.net oder +49 89 178 60-900 (facebookfacebookfacebook)
in Verbindung mit
Kochan & Partner GmbH, Hirschgarten­allee 25, 80639 München, news@kochan.de

Redaktion: Ulrich Müller [um] und Gabriele Werner [gw]; Chefin vom Dienst/Lektorat: Sigrun Borstelmann [sib]; Regelmäßige Autoren: Markus Greve [mg], Sandra Hachmann [sha], Martin Summ [mas]; Illustrationen: Martina Wember [mwe]; Übersetzungen: Rachel McLaughlin [rml]; Bildredaktion, Photo-Editing: Pavlo Kochan [pk] mit Unterstützung der Bildredaktion von Kochan & Partner; Homepage: Pavlo Kochan [pk]; Design/Technik: Michael Bundscherer [mib]; Schriften: Tablet Gothic von Veronika Burian und José Scaglione sowie Coranto 2 von Gerard Unger über TypeTogether; Versand über Clever Reach

Bildnachweis:
Küken-Kette:
Lisa Walker Halskette, 2018, Präparierte Entlein, Faden, Stahl ©Lisa Walker
Perspektiv-Brunnen:
Franz Erhard Walther, Versuch, eine Skulptur zu sein, 1958, Collection of The Franz Erhard Walther Foundation. Foto von Egon Halbleib, Franz Erhard Walther Foundation Archives ©VG Bild-Kunst, Bonn 2020




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