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8daw
ei8ht days a week – Streifzüge durch den Wandel

mit Boris Kochan und Freunden am 20. März 2020

 
 

Sehr geehrte Damen und Herren,

was für ein symbolträchtiger Widerspruch: An der Grenze zwischen Polen und Deutschland stauten sich in dieser Woche nicht nur LKW zu mehr als 60 Kilometern wegen der wieder eingeführten Grenzkontrollen. In deutschen Schulen hingegen werden durch das ganz persönliche Engagement von Lehrern und Schülern plötzlich nicht für möglich gehaltene neue, sehr flexible Formen eines – digitalen (!) – Fernunterrichts möglich. Und auch bei uns ging es jetzt ganz schnell, die Arbeit von der Hirschgartenallee ins Homeoffice zu verlegen – in der Vergangenheit hatten wir uns überraschend schwer damit getan, zum Beispiel unsere Außenstelle in Berlin technisch und organisatorisch optimal einzubinden.

Sehr passend weist der Gründer des Zukunftsinstituts, Matthias Horx, in seinem viel beachteten Beitrag Die Welt nach Corona auf ein wesentliches Grundprinzip des Wandels bei tiefen Krisen hin: »Die Trend-Gegentrend-Synthese. Die neue Welt nach Corona – oder besser mit Corona – entsteht aus der Disruption des Megatrends Konnektivität. Politisch-ökonomisch wird dieses Phänomen auch Globalisierung genannt. Die Unterbrechung der Konnektivität – durch Grenz­schließungen, Separationen, Abschottungen, Quarantänen – führt aber nicht zu einem Abschaffen der Verbindungen. Sondern zu einer Neuorganisation der Konnektome, die unsere Welt zusammenhalten und in die Zukunft tragen. Es kommt zu einem Phasensprung der sozio-ökonomischen Systeme.« Eines der stärksten Bilder, welches der Coronavirus dabei in unsere Köpfe pflanzt, ist das der »musizierenden Italiener auf den Balkonen. Die zweite Vision senden uns die Satellitenbilder, die plötzlich die Industriegebiete Chinas und Italiens frei von Smog zeigen. 2020 wird der CO2-Ausstoß der Menschheit zum ersten Mal fallen. Diese Tatsache wird etwas mit uns machen.«

Es wirkt paradox, das Gebot der Stunde: mit Abstand Zuneigung zeigen. Nur mit der strikten Einhaltung von Regeln wird sich vielleicht doch noch die allgemein erwartete Ausgangssperre vermeiden lassen. Verantwortung zu übernehmen verlangt jetzt hohe Abstraktions­fähigkeit und ungeheure Disziplin. Die bewährten Mittel in Krisen, das auch physisch ausgedrückte Zusammenstehen genauso wie das freie, das ungeregelte Denken, werden auf eine harte Probe gestellt. Um so mehr freut mich diese ungeheure Kreativität, mit der auch diesmal Menschen neue Wege finden, Solidarität zu zeigen! Lasst uns neue Verbindungen eingehen, mit Umwegen unsere Ziele erreichen, lasst uns singen …

Ich wünsche ein schönes Wochenende in vertrautem, ganz kleinem Kreis!
Boris Kochan

 

Düzen Tekkal weist im neuen Podcast »Der achte Tag« auf ein ganz anderes Phänomen der Krise hin: »Die Populisten sind gerade arbeitslos. Nichts von dem, was sie jetzt machen, ist wirksam, weil es nicht konkret ist. Wenn es darauf ankommt, fokussieren wir uns. Diese Krise macht ehrlich.«

 

Michi Bundscherer, der im kleinen 8daw-Team für Typografie und Technik verantwortlich ist, hat in diesen Tagen in einer Nachricht an die engagierten Kolleginnen und Kollegen in der Typographischen Gesellschaft München (tgm) wunderbar den Ton getroffen: »Wir sind eigentlich gegen die Einschränkung persönlicher Freiheiten – derzeit sind diese jedoch dringend notwendig und unumgänglich. Aber denkt daran: Wir sind nicht alleine. Bleibt zuversichtlich, schützt euch und andere.

Was können wir jetzt also tun? Die tgm war schon vorher eine Plattform, die über typografische Fachthemen hinaus positive Wirkung entfaltet. Lasst uns die goldene Mitte finden zwischen Panik und Ignoranz. Lasst uns die tgm zu einem Hort machen der Kreativität, der Zuversicht, der Progressivität und der Solidarität. Solidarisch zu sein, bedeutet nun, das eigene soziale Leben hintanzustellen. Auch wenn wir aus Rücksicht gegenüber anderen auf physische Nähe verzichten müssen, wollen wir aber nicht auf Sozialkontakte verzichten. Lasst uns telefonieren, chatten, streamen, Videokonferenzen machen, Videospiele zusammen spielen …«


Ein Schelm, wer Böses dabei denkt?

 

Humor ist gesund. Gerade in Zeiten, in denen es wenig zu lachen gibt. Nicht zuletzt, weil er kritische Distanz schafft (vor allem zu sich selbst). Allerdings gibt es Momente, in denen nicht mal der schwärzeste Kalauer zünden will. Zum Beispiel, wenn in einer Krisensituation massenhaft Fake News verbreitet werden, die dazu angetan sind, ausgerechnet den Betroffenen den existenziellen Teppich unter den Füßen wegzuziehen.

Infodemie hat Tedros Adhanom Ghebreyesus von der WHO diese Entwicklung genannt, die nach Ansicht des Professors für Journalistik, Holger Wormer von der Dortmunder Uni einem medienpolitischen Offenbarungseid gleichkomme. Abhilfe, so Wormer, könne nur die Rückbesinnung auf klassische Qualitätsmedien schaffen – aber Qualität gibt’s halt nicht zum Nulltarif. Was sich in Sachen Fehlinformation hingegen auf Google, Twitter, WhatsApp & Co abspielt, hat dieser Tage ein beispielloses Niveau erreicht. Befeuert von Existenzängsten und nicht zuletzt von einem amerikanischen Präsidenten, der der Raserei eher zugeneigt ist als der Besonnenheit.

Wie schädlich sich Fake News auf die Weltwirtschaft auswirken, wurde in Kooperation von Check und der Universität Baltimore ausgerechnet. Herausgekommen sind 78 Milliarden Dollar pro Jahr. Das entspricht in etwa einem Drittel des Bruttoinlandsprodukts von Portugal. Nicht bezifferbar ist der Vertrauensschwund, den Fake News im Journalismus angerichtet haben. Vertrauen ist aber genau das, was die Gesellschaft in Krisenzeiten braucht: Vertrauen in Politik und Wirtschaft, Vertrauen in eine seriöse Berichterstattung und Vertrauen in eine Zukunft danach. Kurz all das, was die Rechtspopulisten dieser Welt nicht im Angebot haben. Ach, und natürlich Empathie und eine gute Portion Humor. [um]

Zum Thema Infodemie hat Holger Wormer bereits im Februar im Bayerischen Rundfunk ein bemerkenswertes Interview gegeben, das Sie hier nachlesen können.

 
Ein besonders beeindruckendes Beispiel für deep fake haben Monkeypaw Productions & BuzzFeed geschaffen, bei dem der amerikanische Filmschauspieler, Comedian, Regisseur und Drehbuchautor Jordan Peele dem ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama Worte in den Mund spricht.

Transparenz braucht Integrität­
 

»Das wird jetzt weh tun«, warnt die sonore Stimme des Herrn in Weiß, bevor er den vereiterten Backenzahn zieht. Warum nur sagt er das? Weil es eines ganz sicher tun wird: weh! Und weil den Zahnarzt wohlmeinende Beschwichtigungen ganz schnell das Vertrauen seines Patienten kosten. Ähnlich ist es mit der im Auto serienweise verbauten, leider fehlerhaften Bremsleitung, wenn auch nicht so offensichtlich. Noch wichtiger als die Vermeidung von Regressansprüchen ist dabei das beruhigende Gefühl: »Schau, die kümmern sich!« Mit jeder Rückrufaktion wird unsere Sehnsucht nach dem frühkindlichen Urvertrauen befriedigt. Dabei ist dem Vertrauen potenzielle Enttäuschung immanent – stets schwingt die latent vorhandene Ungewissheit mit, ob unsere Vorstellungen erfüllt werden. Vertrauenssprung nennen Wissenschaftler diesen irrationalen Sprung von der Unsicherheit zum Glauben.

In Zeiten wie diesen setzen Unternehmen in ihrer Kommunikation gerne auf Transparenz. Ein Beispiel dafür ist der mit unserem kleinen Redaktionsteam eng verbundene Studienreise-Anbieter Studiosus, der auf seiner Website Sicherheitsaspekte thematisiert, Schattenseiten der bereisten Länder anspricht und nachvollziehbar mit Preis – Leistung operiert. Doch Offenheit per se schafft kein Vertrauen: Veröffentlichte Fakten und Zahlen vermag kaum ein Kunde in Relation zum Eigeninteresse des Unternehmens zu setzen. Der Vertrauenssprung setzt Glaubwürdigkeit voraus: der Ruf von Kompetenz und Integrität, Routinen im Geschäftsverkehr wie zum Beispiel zuverlässige Information über buchungsrelevante Fakten oder positive Erfahrungen bei vergangenen Reisen. Nur ein Unternehmen, das als so verlässlich wahrgenommen wird, kann auf dieser Basis mit Transparenz punkten – ansonsten bleibt sie ein zahnloser Papiertiger. [sib / bk]


Kalender
Veranstaltungen, Ausstellungen und mehr aus dem Umfeld der 8daw-Redaktion
 
 
Alles abgesagt? Ganz heimlich und ungeheuer laut machen sich die Kreativen dieses Landes auf und erfinden sich und ihre Veranstaltungen neu.

Das Fundstück der Woche

 
 
Ausgesperrt: In die Museen kommt man nicht mehr rein, stattdessen explodieren die Angebote für digitale Führungen oder sogar die Bereitstellung hochaufgelöster Bilder aller Werke, wie beim Amsterdamer Rijksmuseum, die schon 2012 einen eigenen Kanal namens Rijksstudio geschaffen haben, um die freie Nutzung der Kunstwerke durch herausragende Beispiele zu fördern. Noch recht neu ist das Angebot der Smithsonian Foundation OpenAccess, mit dem derzeit ca. drei Millionen Kunstwerke auch kommerziell genutzt werden können. Das Münchner Lenbachhaus hat solche Angebote leider noch nicht, dafür aber das gerade so ungemein passende – nur im allerersten Moment unscheinbare – Werk fake von Pietro Sanguineti: Von der Tiefe der Oberfläche …

 
 

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Ausschließlich aus Gründen der Lesbarkeit verzichten wir in unseren Beiträgen auf die geschlechts­spezifische Schreib­weise. Alle personen­bezogenen Bezeichnungen sind daher geschlechts­neutral zu verstehen.


8daw ist der wöchentliche News­letter von Boris Kochan und Freunden zu Themen rund um den Wandel in Gesellschaft, Kultur und Politik, Unternehmen und Organisationen. Er erscheint in Verbindung mit Kochan & Partner und setzt so die lang­jährige Tradition der Netzwerk­pflege mit außer­gewöhnlichen Aussendungen in neuer Form fort. 8daw versteht sich als Community- und Kollaborations-Projekt – als Kooperations­partner sind zum Beispiel die GRANSHAN Foundation e.V., die EDCH Foundation e.V., der Deutsche Designtag e.V. und die Typographische Gesellschaft München e.V. im Gespräch.

 

Herausgeber und Chefredakteur von 8daw sowie verantwortlich im Sinne des Presserechts ist Boris Kochan [bk], Hirschgarten­allee 25, 80639 München, boriskochan.com, zu erreichen unter bk@8daw.net oder +49 89 178 60-900 (facebookfacebookfacebook)
in Verbindung mit
Kochan & Partner GmbH, Hirschgarten­allee 25, 80639 München, news@kochan.de

Redaktion: Ulrich Müller [um] und Gabriele Werner [gw]; Chefin vom Dienst/Lektorat: Sigrun Borstelmann [sib]; Regelmäßige Autoren: Markus Greve [mg], Sandra Hachmann [sha], Martin Summ [mas]; Illustrationen: Martina Wember [mwe]; Übersetzungen: Rachel McLaughlin [rml]; Bildredaktion, Photo-Editing: Pavlo Kochan [pk] mit Unterstützung der Bildredaktion von Kochan & Partner; Homepage: Pavlo Kochan [pk]; Design/Technik: Michael Bundscherer [mib]; Schriften: Tablet Gothic von Veronika Burian und José Scaglione sowie Coranto 2 von Gerard Unger über TypeTogether; Versand über Clever Reach

Bildnachweis:
Pietro Sanguineti, fake, 2015, Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München, Foto: Lenbachhaus ©Pietro Sanguineti


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