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ei8ht days a week – Streifzüge durch den Wandel

mit Boris Kochan und Freunden am 27. März 2020

 
 

Sehr geehrte Damen und Herren,

geht es Ihnen auch so: Es hat mich so gar nicht gewundert, dass das Internationale Olympische Komitee (IOC) in einem unwürdigen Hin und Her viele Tage braucht, bis es sich zur längst erwarteten und geforderten Entscheidung durchringt, die Olympischen Spiele 2020 zu verschieben. Es ist völlig selbstverständlich, dass Sportfunktionäre in Hinterzimmern kungeln, faire Spiele fordern, aber Doping nicht mit Vehemenz unterbinden. »Der olympische Gedanke ist längst passé. Er ist in einer Milliardenindustrie verschwunden …«, sagt so auch der sehr anerkannte SZ-Sportredakteur Thomas Kistner.

Olympia 1972: Das waren die letzten nicht kommerziellen Spiele und trotz des bleischwer alles überschattenden Attentats haben sich – gerade in München – die Ideen dieser fröhlichen Spiele tief ins gesellschaftliche Gedächtnis gegraben. Das liegt sicher auch, aber nicht nur am ikonischen, bis heute lebendigen Olympiagelände. Diese Verbindungen zwischen Sport, Kultur und Gesellschaft, die Chancen guter Gestaltung und Architektur wollen wir nutzen, um anlässlich des 2022 anstehenden Doppeljubiläums 50 Jahre Olympia in München und 100 Jahre Otl Aicher die erste Serie in unserem kleinen Newsletterprojekt 8daw anzukündigen: Das Projekt 50/100 einer engagierten Gruppe von Menschen und Organisationen wollen wir mit Hintergrundgesprächen und kritischen Kommentaren zum Geschehen begleiten und unterstützen.

Krise braucht Gegenbewegung, konstruktive Beschäftigung mit dem Morgen, dem Hinterher – so schwer es fällt in Momenten wie diesen, wo es für viele Soloselbstständige wie Unternehmen jetzt schon oder sehr bald ums blanke Überstehen geht. So muss und will auch ich mich gleich wieder um das Jetzt kümmern: um die ab April anstehende Kurzarbeit in meinem Unternehmen genauso wie um die Entwicklung und Vermittlung von gemeinsamen Positionen zu den Aktivitäten der Bundesregierung in der Designbranche.

Standhaft herzliche Grüße zum Wochenende und: Bleiben Sie gesund!
Boris Kochan

Ab Anfang kommender Woche wird es übrigens einen neuen Newsletter des Deutschen Designtags geben, der anlässlich der Corona-Pandemie aus der Taufe gehoben wird. Die deutsche Designszene ist beeindruckend engagiert in der gegenseitigen Unterstützung – entsprechend ihrer Vielfältig- und Kleinteiligkeit sind diese Aktivitäten aber bisher viel zu wenig sichtbar. Die neuen, regelmäßig unregelmäßig erscheinenden dp:news – für designpolitik:news – werden sammeln und verknüpfen, werden kommentieren und Stellung nehmen. Wer interessiert ist, schreibt mir bitte an: bk@8daw.net …


Olympia adé …
 

Man könnte dieser Tage meinen, es gäbe auf der Welt nichts anderes mehr zu teilen als den Corona-Horror. Dafür wissen wir jetzt immerhin, dass Heidi Klum Covid-19 negativ ist. Das ist vor allem gut für sie selbst. Von größerem Weltgewicht ist die Meldung, dass die Olympischen Spiele verschoben werden. Abergläubische hätten das schon nach dem holprigen Start des Unternehmens vorausahnen können. Eine Plagiatsaffäre hatte dem ursprünglichen Logo der Spiele den Garaus gemacht und das neue ist – eben nur das Zweitbeste.

Bei der Olympiade 1964 hatten die Japaner noch bedeutend glücklichere Designgeschichte geschrieben: Das in seiner sachlichen Reduktion kühne Logo hat bei Experten wie Milton Glaser noch immer Goldstatus.

Jenseits solcher Highlights gehen die Meinungen der Fachwelt allerdings gepflegt auseinander. Den Vogel hat das Fast Company Magazin abgeschossen. Als »Depressing History of Design Crimes« wurden dort vor allem die olympischen Logos nach München 1972 bezeichnet, was wiederum denen ent­gegen­kommen dürfte, die kein gutes Haar am Logo der Pariser Spiele 2024 lassen. Der in guter Absicht formulierte feminine Anstrich, irritierte nicht nur Feministinnen, sondern auch Designer wie Pali Palavathanan, der meinte: »Mir sagt das Logo: Komm nach Paris, wir haben sexy Frauen und nebenbei findet noch die Olympiade statt.« Heidi lässt grüßen.

Einigkeit herrscht indes darüber, dass die Olympia-Logos und ihre Anwendungen ein bedeutendes Stück Designgeschichte repräsentieren, an dem sich auch gesellschaftlicher Wandel ablesen lässt. Den bringt auch der Blick auf die Olympia-Plakate zutage. Das Spektrum reicht von martialisch bis heiter-ausgelassen, je nach weltpolitischem Klima. Mal sehen, wie sich die Gegenwart in künftigen Entwürfen niederschlagen wird. [um]

Der olympischen Designgeschichte von 1896 bis 2020 hat sich der Designer Markus Osterwalder in herausragender Weise angenommen und ein akribisch recherchiertes, zweibändiges Werk  mit 1.600 Seiten herausgebracht. Für Design-Freaks ein Muss.


Lob der Selbstoooooptimierung!
 

Olympia und Doping greift schon immer ineinander wie die olympischen Ringe. Das reicht von der Stärkung der Muskeln durch Verzehr von Stierhoden und Ziegenfleisch bei den antiken Olympioniken bis zum Schmieren … nein, nicht der Gelenke: Angeblich siegte Kaiser Nero 67 n. Chr. im Wagenrennen, obwohl er unterwegs vom Gefährt stürzte. Eine interessante Interpretation von Doping findet sich im Pferdesport, wo man früher leistungsmindernde Substanzen wie Arsen verabreichte. Natürlich nicht dem eigenen Tier, sondern dem gegnerischen. Trotzdem sind manche echte Dopingmittel kaum gesünder, wenn man sich ansieht, dass Marathonläufer Thomas Hicks dank einem Mix aus Eiweiß, Brandy und Strychnin die Goldmedaille erlaufen hat. Die Todesfallstatistik spricht Bände. Morphin, Kokain, Nitroglycerin, Anabolika, Epo, Diuretika – was konsumiert man nicht alles für Ruhm, Ehre und … Geld.

Umso erstaunlicher, dass der moderne Mensch auch im Alltag nicht vor invasiven Selbstoptimierungsmaßnahmen zurückschreckt. Steroide und Stimulanzien, Cannabis und Heroin – was beim ach so gesunden Sport hilft, kann ja nicht schlecht sein! Dabei geht es längst nicht mehr nur um körperliche Maximierung, sondern um Perfektion auf ganzer Linie: dank Schönheitschirurgie, Diätwahn, Persönlichkeitscoaching. Und ist es nicht paradox zu beobachten, wie mündige Menschen sich freiwillig ans Gängelband von Self-Trackern hängen, die permanent ihre körperbezogenen Daten erfassen (und ganz nebenbei die Werbemaschinerie damit befüttern)? Muss eigentlich immer alles schöner, schneller, weiter sein? Dass es anders besser geht, bewiesen die beiden gegnerischen Läuferinnen Nikki Hamblin und Abbey D’Agostino, die sich beim olympischen Halbfinale nach einer Kollision gegenseitig ins Ziel halfen – und dafür eine Wildcard fürs Finale bekamen. Das ist Selbstoptimierung! [sib]

Während es früher um die Vermessung der Welt ging, wie Daniel Kehlmann in seiner gleichnamigen und sehr lesenswerten Doppelbiografie von Carl Friedrich Gauß und Alexander von Humboldt erzählt, steht heute die Vermessung des Selbst im Vordergrund: Die Quantified-Self-Bewegung lebt von Enthusiasten, die Selbstbeobachtung strukturiert auf die Spitze treiben. Steckt hinter dem Optimierungswahn der Kontrollwahn und letztlich die Angst vor nicht vorhersehbaren, weil nicht messbaren Entwicklungen?

Das heimliche Verabreichen giftiger Substanzen, wie es aus dem Pferdesport bekannt ist, liegt zwei Jahrhunderte zurück. Dass solche Praktiken leider gar nicht so weit weg sind, zeigt das ganz und gar unrühmliche Beispiel eines Staates, der auf Kosten seiner Sportler zu Ruhm gelangen wollte. In der DDR hatten Trainer ihren Athleten ohne deren Wissen muskelaufbauende Steroide verabreicht.


Akuter Wandel vs. Traditionskalender
 
Alle sieben Jahre – traditionell – tanzen die Schäffler in Bayern, um an die verheerenden Folgen der Pest zu erinnern. Alle sieben Jahre. Heute heißt die Weltregentin Corona. Alle zehn Jahre finden die Oberammergauer Passionsspiele statt. Heuer nicht. Alle vier Jahre jubelt die Welt mit Olympioniken und Paralympics in Sachen höher – schneller – weiter. Heuer nicht. Die Liste ist beliebig verlängerbar, Cannes, EM und und und … Kein Beinbruch – abgesehen von finanziellen Einbußen: Gesundheit geht vor! Aber: Wie ist es mit den Gebäuden? Gerade Olympiaden, ähnlich wie Fußball-WMs, bieten mit ihren multifunktionalen Stadien und und Beherbergungsstätten für die Sportler Profilierungspotenzial für Architekten – und verursachen enorme Kosten. 

Im international immer noch als ikonisch geltenden Olympiastadion nebst Studentenstadt im Olympiadorf in München steppt immer noch der Bär – aktuell natürlich gerade nicht. Und in Tokio: Da wurde das olympische Dorf für Sportler & Tross bis 18.000 Personen zwar extrem nachhaltig gedacht – Betten und Mobiliar wurden aus recycelbarer Pappe gebaut. Das Manko: Die Verschiebung dank Corona fordert neue Bauten. Denn das olympische Dorf ist zum nächsten Jahr bereits vermietet, um langfristig Wohnraum für die Tokioter zu bieten. Fazit: Es braucht für 2021 auf jeden Fall den Bau eines weiteren olympischen Dorfes …

Die Nachnutzung ehemaliger Stadien, für die Städte und Länder seinerzeit immense Summen in die Hand nahmen, um Infrastruktur zu stärken, Tourismus, Gastronomie, Hotellerie – und generelles Image – nach oben zu befördern, hat sehr unterschiedlich funktioniert. Oder häufig auch nicht. In München recht gut, in Australien wohl auch, wobei bei beiden bis heute in royalen Welten die Verkupplung von Königs im Vordergrund steht, Sylvia und Carl-Gustav, Mary und Henrik.

Die vergessenen und verlassenen Stadien hingegen sprechen eine eigene, oft mystsische Sprache – Stätten längst verhallten Jubels, getrockneten Schweißes & vergossener Tränen: Peking zum Beispiel, oder auch Sarajevo und Rio de Janeiro. [Nina Shell]

 
Das Münchner Olympiastadion im Frühstadium ...

Kalender
Veranstaltungen, Ausstellungen und mehr aus dem Umfeld der 8daw-Redaktion
 
Alles abgesagt – auch die Olympischen Spiele. Nun paart sich damit ausgerechnet in dieser Woche der Tod des Zeichners und Asterix-Miterfinders Albert Uderzo. Ein guter Grund, noch einmal in den zerfledderten Heften von damals nachzulesen, Asterix bei den Olympischen Spielen ist ein Event der ganz besonderen Art ...

Das Fundstück der Woche

 
Wo alles anfing – in Athen. So leer wie viele unserer Straßen heute, weltweit!

 
 

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Ausschließlich aus Gründen der Lesbarkeit verzichten wir in unseren Beiträgen auf die geschlechts­spezifische Schreib­weise. Alle personen­bezogenen Bezeichnungen sind daher geschlechts­neutral zu verstehen.


8daw ist der wöchentliche News­letter von Boris Kochan und Freunden zu Themen rund um den Wandel in Gesellschaft, Kultur und Politik, Unternehmen und Organisationen. Er erscheint in Verbindung mit Kochan & Partner und setzt so die lang­jährige Tradition der Netzwerk­pflege mit außer­gewöhnlichen Aussendungen in neuer Form fort. 8daw versteht sich als Community- und Kollaborations-Projekt – als Kooperations­partner sind zum Beispiel die GRANSHAN Foundation e.V., die EDCH Foundation e.V., der Deutsche Designtag e.V. und die Typographische Gesellschaft München e.V. im Gespräch.

 

Herausgeber und Chefredakteur von 8daw sowie verantwortlich im Sinne des Presserechts ist Boris Kochan [bk], Hirschgarten­allee 25, 80639 München, boriskochan.com, zu erreichen unter bk@8daw.net oder +49 89 178 60-900 (facebookfacebookfacebook)
in Verbindung mit
Kochan & Partner GmbH, Hirschgarten­allee 25, 80639 München, news@kochan.de

Redaktion: Ulrich Müller [um] und Gabriele Werner [gw]; Chefin vom Dienst/Lektorat: Sigrun Borstelmann [sib]; Regelmäßige Autoren: Markus Greve [mg], Sandra Hachmann [sha], Martin Summ [mas]; Illustrationen: Martina Wember [mwe]; Übersetzungen: Rachel McLaughlin [rml]; Bildredaktion, Photo-Editing: Pavlo Kochan [pk] mit Unterstützung der Bildredaktion von Kochan & Partner; Homepage: Pavlo Kochan [pk]; Design/Technik: Michael Bundscherer [mib]; Schriften: Tablet Gothic von Veronika Burian und José Scaglione sowie Coranto 2 von Gerard Unger über TypeTogether; Versand über Clever Reach

Bildnachweis:
Logo Paris 2024, Logos Japan ‘64, 20_1, 20_2:
olympic.org
Modellbau für das geplante Dach der Osttribüne:
©Werkarchiv Frei Otto im Südwestdeutschen Archiv für Architektur und Ingenieurbau (saai)
Leeres Stadion:
©YANNIS BEHRAKIS, REUTERS


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