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ei8ht days a week – Streifzüge durch den Wandel

mit Boris Kochan und Freunden am 13. Januar 2023

 
 

Sehr geehrte Damen und Herren,

heute habe ich ein neues Wort gelernt. Es heißt Paraskavedekatriaphobie. Dieses Para-Dingsda gibt’s wirklich und ist der Name für die krankhafte Angst vor Freitag, dem 13. Angeblich melden sich drei- bis fünfmal so viele Arbeitnehmer·innen an diesem Tag krank, was den SPIEGEL zu der Frage verleitet hat, ob wir Deutschen womöglich ein Volk von Abergläubischen seien. Wenn dann zu allem Überfluss die allfällig miesen Prognosen fürs neue Jahr noch unverdaut im Magen liegen, wird es ganz besonders schlimm. Und – ja – natürlich hat Nostradamus vorhergesagt, dass auch 2023 echt Kacke wird und die Wirtschaftsweisen haben natürlich auch prompt ein schrumpfendes Bruttoinlandsprodukt vorausgesehen. Aber dafür vermeldet das Jahreshoroskop in Bild der Frau doch immerhin einen Silberstreif am astrologischen Horizont! Es ist also doch nicht alles ganz so schlimm. Schon gar nicht für die Astrologie-Branche selbst, die mit einem geschätzten Jahresumsatz von bis zu 250 Millionen Euro ziemlich prima dasteht. Tendenz seit Corona: deutlich steigend. Mit der Deutungshoheit über die Zukunft lässt sich viel Geld verdienen. Mit der Angst vor der Zukunft auch.

Berufsmäßiges Wahrsagen steht seit 1965 unter dem Schutz des Gesetzes der Berufsfreiheit. Das entsprechende Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ist ein Meisterstück deutscher Rechtssprechung. In der Abweisung der Klage eines frustrierten Klienten eines Eheanbahnungsinstitutes, in dem bei einer offenbar missglückten Partnerwahl auch die Sterne zu Rate gezogen wurden, heißt es höchst raffiniert: »Die gewerberechtliche Feststellung, ob der Astrologe über genügend fachliche Kenntnisse verfügt, hätte nur dann (…) einen Sinn, wenn man (…) aufgrund bestimmter Kenntnisse auf astrologischem Gebiet richtig prophezeien könnte und die Richtigkeit einer Prognose demnach nur von genügend Fachkenntnissen des Astrologen abhinge.« Was für eine Klatsche für alle Beteiligten! Ich persönlich ziehe übrigens die Self-fulfilling Prophecy vor. In diesem Sinne: Alles wird gut – irgendwie. Aber ganz bestimmt auch anders.

Kommen Sie gut durch diesen Tag und genießen Sie Ihr Wochenende im Hier und Jetzt!
Ulrich Müller

 
Mythen aus der Mottenkiste: Seit Jahren kursiert die Legende von einer angeblichen FBI-Statistik, derzufolge von der Ermittlungsbehörde die Geburtsdaten von Schwerverbrechern astrologisch ausgewertet würden. Spitzenreiter sei demnach – sorry, liebe Sommerkinder – der Krebs. Die Website Jurios räumt indes mit dieser Geschichte endgültig auf.

 
 
Vom Glück zum Leid: Maskottchen werden ähnlich wie Talismanen glücksbringende Wirkungen zugeschrieben. Gar nicht gut ist es allerdings, wenn Tiere darunter leiden müssen, wie die Oktopusse, die vor entscheidenden Spielen einer Eishockeymannschaft aus Detroit aufs Eis geworfen werden. Endlich hat sich die Tierschutzorganisation PETA eingeschaltet und ein Ende dieses entsetzlichen Rituals eingefordert.

Ich weiß. Ich muss nicht glauben.
 

Glauben heißt, nicht wissen, sagen die einen. Kann es dann einen rechten oder unrechten Glauben geben, einen Irr- oder Aber-Glauben? Aber meint hier falsch, verkehrt, heidnisch – dies allerdings nur von einem christlichen Standpunkt aus. Einen Standpunkt beschreibt Albert Einstein so: »Der Horizont vieler Menschen ist wie ein Kreis mit Radius Null. Und das nennen sie dann Standpunkt.« Doch sind unsere christlichen Riten schon lange von heidnischen Bräuchen durchtränkt. Man denke etwa an Mariä Lichtmess, das keltische Imbolc am 2. Februar, ein Lichter-, Reinigungs- und Fruchtbarkeitsfest, das der keltischen Lichtergöttin Brigid geweiht ist. Da wäre noch Weihnachten (das römische Fest der unbesiegbaren Sonne), Ostern (das keltische Fest der Frühlingstag- und -nachtgleiche) oder der Johannitag am 24. Juni, das Fest der Sonnenwende, das mit spektakulären, die Dämonen vertreibenden Sonnwendfeuern gefeiert wird. Nicht zu vergessen: Mariä Himmelfahrt, Fest der Göttin Astrea aus der griechischen und römischen Mythologie, das im keltischen Lughnasadh die beginnende Erntezeit feiert. Wie damals pflücken auch heute nochvornehmlich Frauen an Mariä Himmelfahrt heilwirksame Kräuter, binden sie zu Buschen, die  nach katholischem Brauch geweiht und in Haus und Stall gehängt werden, auf dass sie Unheil abwenden mögen. Ist das Magie? Zauberei? Aberglaube?

Carl Gustav Jung führt zum Verständnis des Menschen ein »zweites psychisches System von kollektivem, nicht-persönlichem Charakter« ein, Erbe der menschlichen Evolution, aus dem Kulturen und Religionen sinnverwandte, archetypische Mythen, Symbole und Gottesbilder schöpfen. Er nennt dies »das Ewige« im Menschen oder das kollektive Unterbewusstsein. Als der Schweizer Psychiater und Begründer der analytischen Psychologie 84-jährig gefragt wird, ob er immer noch an Gott glaube, zögert er lächelnd. »Schwierig zu beantworten«, meint er. »Ich weiß. Ich muss nicht glauben. Ich weiß.« [gw]

 

Obacht! Freitag, der 13. trägt gleich zwei Unglücksboten im Gepäck: die Zahl 13 und den Freitag. Seit den Babyloniern gilt das 12er-System als runde Sache. Wir kennen etwa die zwölf Monate, die zweimal zwölf Stunden eines Tages, die zwölf Tierkreiszeichen ... Mit der 13 wird dieses »gute« System überschritten, weswegen die 13 auch das »Dutzend des Teufels« genannt wird: Unheil droht! So geschehen beim letzten Abendmahl, das Jesus mit seinen Jüngern feierte. Der 13., der dazu kam, war Judas, der Verräter. An einem Freitag wurde Jesus dann auch gekreuzigt. Bis ins 20. Jahrhundert zieht sich die negative Kombination: Da ist der Börsensturz in den USA, der am »schwarzen Freitag«, den 13. Oktober 1929 stattfand. Im Horrorfilm Freitag der 13. sterben am unheilvollen Datum immer wieder Menschen ... Gemäß einer Befragung des Instituts Allensbach beschleicht 23 Prozent der Deutschen ein mulmiges Gefühl bei einem Freitag, dem 13. Doch keine Sorge: Studien haben  längst nachgewiesen, dass an Freitagen, die auf einen 13. fallen, nicht mehr Unheil passiert als an allen anderen Tagen.


 
 
Viel besser ist es, zum eigenen Maskottchen zu werden, wie der legendäre britische Cricketspieler David Shepherd, der sich in besonderen Spielsituationen in eine Art seltsamen Kranich verwandelt und damit Kultstatus erlangt hat.

Himmel hilf!
 

Dass die Halbgötter in Weiß immer öfter ihren traditionellen Berufsmantel gegen ein lässig-buntes Outfit tauschen, während sie statt Appendizitis nun Blinddarmentzündung attestieren, hat viel damit zu tun, dass Ärzte vom Olymp der Unantastbarkeit herabgestiegen sind – jenem himmlischen Zustand, in dem noch die theistische Auffassung herrschte, die Götter seien für die Erschaffung perfekter Kreaturen auf dieser Welt verantwortlich und müssten allfälligen Pfusch auch wieder richten. Sprich: Pathologie und Therapie waren göttlich, bestenfalls gepusht durch Beschwörungsformeln und Riten, die so lange nicht als Aberglaube galten, bis sich naturwissenschaftlich-medizinische Erkenntnisse durchsetzten. So etablierten sich schon vor Jahrhunderten fortschrittliche Behandlungsmethoden wie Einsatz von Blutegeltherapie, Johanniskraut zur Wundheilung oder dem Saft der Weidenrinde zur Schmerzlinderung – modernes Generikum: Aspirin –, den Kräuterweiblein schon im Mittelalter entdeckt hatten.

Als feministisches Narrativ gilt manchen Historikern übrigens, dass sich vor allem die Kirche der weisen Heilerinnen, die sich auch um Abtreibung und Verhütung verdient gemacht hatten, gerne mal mittels Scheiterhaufen entledigt habe. So sei erwiesen, dass – je nach katholischer oder protestantischer Bibel-Lesart mehr oder minder – auch Männer als Hexer verbrannt worden seien und das Schicksal des Hexenprozesses samt »gütlicher« bis »peinlicher« Befragung unabhängig vom ausgeübten Beruf jeden ereilen konnte, der den Hütern des Glaubens verdächtig war. Die Inquisition fand hier oft bereitwillige Mitarbeiter in den Reihen der Bürger. Whistleblower, damals Wizardblower, waren schon immer gefragt. Doch der Irrsinn ist keine graue Vorzeit – noch immer werden in Afrika, Mexiko, Indien, Indonesien und Malaysia Menschen der Zauberei bezichtigt und getötet, mehr als im gesamten Mittelalter. Und während man anderswo dem Teufel nachjagt, produzieren wir hier Heilige. Vielleicht sollte es statt »Santo, santo, santo subito!« besser heißen »Santo subito, subito, subito!« Bevor unser potenzieller Heiliger seinen Dienst schon wieder vorzeitig quittiert … [sib]

 

Wer sich von düsteren Prognosen für 2023 allzusehr niedergeschlagen fühlt, dem sei an dieser Stelle der Ratgeber der AOK über natürliche Stimmungsaufheller aus Kräutern empfohlen. Allerdings gilt auch hier: Nebenwirkungen können unersprießlich sein und Überdosen gar tödlich. Ansonsten ist aber alles ganz wunderbar. 


 
 

Gut auch, dass die Basketballmannschaft New Orleans Pelicans vor ihren Spielen nichts mit den gleichnamigen Vögeln anstellt. Stattdessen tollt das nach einem einigermaßen pappig aussehenden Kuchen benannte King Cake Baby auf dem Platz herum. Unklar bleibt hingegen, ob es der eigenen Mannschaft Glück bringen oder nur die gegnerische Mannschaft erschrecken soll. Und auch darüber, wie es dem Menschen unter diesem Kostüm geht, wird geschwiegen.


Kalender
Veranstaltungen, Ausstellungen und mehr aus dem Umfeld der 8daw-Redaktion
 

Noch bis zum 26. Februar 2023

Etel Adnan


Etel Adnan (1925 – 2021), die große Kosmopolitin mit einem gleichermaßen bild- wie wortgewaltigen Oeuvre, spannt einen Bogen zwischen der arabischen und der westlichen Welt. Das Lenbachhaus zeigt die erste umfassende Retrospektive dieser so wichtigen Vertreterin der Moderne.

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Noch bis zum 5. Februar 2023

Think Big!


Kultureller Dialog auch in der Ausstellung der New Yorker Künstlerin Gail Rothschild im Bode-Museum. In ihren zum Teil monumentalen Bildern stellt Rothschild altägyptische Textilien und deren zeitgenössische, malerische Verarbeitung gegenüber.


Das Fundstück der Woche

 
 

Werke der modernen Kunst als Objekte der Begierde, der Selbstüberhöhung ihrer Besitzer und mithin Kultgegenstände, die von einem geradezu mythischen Zauber umweht sind: Manchmal aber auch schlichter Humbug. Dem Regisseur Wes Anderson ist in The French Dispatch wieder einmal ein geniales Sittenbild mit viel tiefsinnigem Humor gelungen – wie in dieser großartigen Szene mit Oscar-Preisträger Adrien Brody.


 
 

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In der 8daw-Ausgabe BETA #13 vom 24. Juli 2020 haben wir uns unter anderem mit dem Thema geschlechter­spezifische Schreib­weise beschäftigt. Im Ergebnis fanden wir die Empfehlung eines Lesers für uns am geeignetsten: »Der Mittel­punkt (MacOS: Shift+Alt+9; Windows: Alt+0183) wird eingesetzt wie der Asterisk *, stört jedoch deutlich weniger den Lese­fluss der Leser·innen, weil er nicht nach Fußnoten ruft und auch keine Text­lücken reißt wie der Gender_Gap. Im Hinblick auf Lesbarkeit und Typografie­qualität also eine bessere Alter­native, und inhaltlich – als Multiplikationszeichen verstanden – treffend. Oder?« Wir stellen unseren Autor·innen jedoch frei, ob sie den Mittel­punkt oder eine andere Form benutzen. Alle personen­bezogenen Bezeichnungen sind jedenfalls geschlechts­neutral zu verstehen.


8daw ist der wöchentliche News­letter von Boris Kochan und Freunden zu Themen rund um den Wandel in Gesellschaft, Kultur und Politik, Unternehmen und Organisationen. Er erscheint in Verbindung mit Kochan & Partner und setzt so die lang­jährige Tradition der Netzwerk­pflege mit außer­gewöhnlichen Aus­sendungen in neuer Form fort. 8daw versteht sich als Community- und Kollaborations-Projekt insbesondere mit seinen Leser·innen – Kooperations­partner sind darüber hinaus zum Beispiel die GRANSHAN Foundation, die EDCH Foundation, der Deutsche Designtag (DT), der BDG Berufsverband der Deutschen Kommunikations­designer und die Typographische Gesellschaft München (tgm).

 

Herausgeber und Chefredakteur von 8daw sowie verantwortlich im Sinne des Presserechts ist Boris Kochan [bk], Steinerstraße 15c, 81369 München, zu erreichen unter boris.kochan@eightdaw.com oder +49 89 178 60-900 ( facebook facebook facebook)
in Verbindung mit
Kochan & Partner GmbH, Steinerstraße 15c, 81369 München, news@kochan.de

Redaktion: Ulrich Müller [um] und Gabriele Werner [gw]; Chefin vom Dienst/Lektorat: Sigrun Borstelmann [sib]; Regelmäßige Autoren: Markus Greve [mg], Sandra Hachmann [sh], Herbert Lechner [hel]Martin Summ [mas]; Illustrationen: Martina Wember [mwe]; Bildredaktion, Photo-Editing: Pavlo Kochan [pk] mit Unterstützung der Bild­redaktion von Kochan & Partner; Homepage: Pavlo Kochan [pk]; Design/Technik: Michael Bundscherer [mib]; Schriften: Tablet Gothic von Veronika Burian und José Scaglione sowie Coranto 2 von Gerard Unger über TypeTogether; Versand über Mailjet.

Bildnachweis:
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